Generation ohne Mumm. Oder: Warum soll ich in Deutschland bleiben?
Meine Generation wird ja immer mal gerne als Generation ohne Eigenschaft bezeichnet. Wir haben keine Meinung, keinen Mut, eigentlich ist uns alles egal. Zum einen stimmt das nicht. Denn schließlich gehen wir auf die Straße, unterschreiben Petitionen, und gründen neue Parteien, die auch noch konform mit den Ansichten unserer Elterngeneration ist – gegen Atomstrom, für Datenschutz, gegen Sozialabbau usw. Eigentlich sollten sie sich also gar nicht beschweren. Aber darum geht es mir nicht.
Es geht mir um den Teil des Vorurteils, der richtig ist. Denn unsere öffentliche Meinungsäußerung ist meist nur ein kläglicher Nachhall elterlicher antikapitalistischer Tradition. Anstatt uns echten Problemen der deutschen Realität zu widmen, beziehen wir uns lieber in der schon zu Zeiten unserer Eltern gestrigen Manier auf konzeptuelle, marxistisch-hegelianisch inspirierte Luftblasen.
Mit “echten Problemen” meine ich nichts weniger als die wirtschaftliche und kulturelle Zukunft Deutschlands. Wenn es weitergeht wie bisher, wird es uns in 50 Jahren richtig schlecht gehen. Deutschland wird dann im optimistischen Szenario – ohne gewachsenes Prekariat und mit deutlich mehr qualifizierten Einwanderern – auf 65 Millionen Einwohner geschrumpft sein, von denen zwei Drittel Transfergelder erhalten werden*. Zusammengefasst liegt das am demographischen Wandel, an der desaströsen Migrationspolitik, am Generationenvertrag und am aufgeblasenen Sozialstaat. Vielleicht wird der Leser schon bemerkt haben, dass diese Transferfinanzierung rechnerisch nicht möglich ist. Denn in diesem Szenario müsste ein Steuerzahler für 1,8 Transferempfänger aufkommen*. Es ist schlicht unmöglich.
Und das ist nur das Hauptproblem. Hinzu kommt, dass wir von dieser (nicht finanzierbaren) Rente nicht werden leben können. Deswegen hat Frau von der Leyen – der zu verdanken ist, dass sie das Thema zumindest angesprochen hat – jüngst ihr Konzept zur Zuschussrente vorgeschlagen, die aus Steuergeldern finanziert werden soll. Aus welchen Steuergeldern? Schleierhaft ist mir in diesem Zusammenhang, warum keiner das Kernproblem beim Namen nennt: Den grandiosen Generationenvertrag, den Adenauer einführte, um eine Generation Rentengelder zu sparen. Anstatt nun immer mehr steuerlich finanzierte Instrumente einzuführen, würde ich mir wünschen, den “Vertrag” (dem wir nie zugestimmt haben) stückweise rückgängig zu machen. Ich habe mich ohnehin schon damit abgefunden, dass meine Rente minimal ausfallen wird – dann kann sie auch gleich wegfallen. Lieber sorge ich für mich selbst vor und zahle nicht jeden Monat hunderte Euros an heutige Rentner, die noch Luxusprobleme wie Rentenerhöhung und Rente ab 67 haben. Auf meine Kosten. Ich möchte dem halben zukünftigen Steuerzahler nicht derart auf der Tasche liegen.
Wie reagiert nun meine gebeutelte Generation darauf: Schweigen, Schulterzucken. Der illusorische Klimawandel ist wichtiger. Und vor allem haben wir Geld dafür – Milliarden und Abermilliarden.
Nächstes Problem: Der Verfall unserer Bildung. “Dichter und Denker” haben wir genug – sie füllen die geisteswissenschaftlichen Bänke. Besonders problematisch: Ein Großteil lehnt Studiengebühren ab und wird nur wenig zur deutschen Wirtschaft beitragen. “Ach ja, die Wirtschaft – man kann den Menschen doch nicht auf’s Geld reduzieren” sagt manch einer, auch wenn er selbst durch Stipendien finanziert ist. Hinzu kommt die wachsende Schicht schlecht gebildeter Migranten – vor allem Türken und Araber der zweiten oder Dritten Generation liegen in puncto Ausbildung deutlich unter dem Durchschnitt*. Sie sind es aber, die zukünftig als Leistungsträger fungieren müssen: Im Jahr 2100 soll es laut Demographieforscher Birg schon mehr Einwohner mit Migrationshintergrund geben als ohne, sie sind also die zukünftig tragenden Säulen der Gesellschaft.
Für den Wohlstand unserer Gesellschaft sorgen derzeit andere – das sind vor allem deutschstämmige Maschinenbauingenieure, Computerexperten, Naturwissenschaftler, Wirtschaftswissenschaftler in Konzernen und Banken. Das Problem: Diejenigen, die mit ihren technologischen Innovationen für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg sorgen müssen, wandern lieber aus oder werden erst gar nicht ausgebildet. Das hat nichts mit Diskriminierung von Ausländern oder Geisteswissenschaftlern zu tun, sondern ist Fakt.
Kein Wunder! Denn wo ist unsere Elitenförderung, wo sind die Investitionen in echte Zukunftstechnologien (nein, ich meine nicht Windräder und Solaranlagen), und vor allem: wo ist der technologiefreundliche Zeitgeist? Wo man auch schaut, findet man Antimodernismen: Die bisher beste Art der Stromgewinnung wird (im Alleingang gegen den internationalen Trend) eingestellt, der Kleinanbau gefördert, die Entwicklung moderner Züchtungsverfahren (nichts anderes ist die Gentechnik) blockiert. Zurück zum Mittelalter. Einfachste wirtschaftliche und entwicklungspolitische Zusammenhänge scheinen nicht begriffen zu werden.
Hinzu kommt die Abkehr vom Leistungsprinzip einer verwöhnten 68er-Generation, die sich über Jobs und Renten noch keine Sorgen machen musste. Diese Generation hat ihren Kindern zu selten gesagt, worauf es bei der Studienwahl ankommt. Kein Wunder also, dass der Schulabsolvent eher Sprach- und Kulturwissenschaften als Naturwissenschaften studiert*, und kein Wunder, dass der Student erkennen muss, dass er für echte Biologie oder Physik ins Ausland gehen muss. Wie sieht es in der Schule aus? Dort fließt ein Großteil der Förderung in die Leistungsschwachen, weil man die Unlogik der Gleichmacherei immer noch nicht verstanden hat. Vor allem hat man nicht verstanden, wem Deutschland seine Wirtschaftskraft zu verdanken hat: Das sind die Leistungsträger. Nur: Von denen gibt es immer weniger, obwohl sie doch zukünftig mehr denn je gebraucht werden.
Und auch ich frage mich: Warum soll ich in Deutschland bleiben, was hat mir das Land zu bieten, und wem oder was schulde ich eigentlich meine Steuergelder? Während die aktuelle Politikerriege vor allem damit beschäftigt zu sein scheint, die überschuldeten Staatskassen weiter mit völlig kontraproduktiven Instrumenten wie dem Betreuungsgeld zu belasten und sich über die zweijährige Verlängerung der Arbeitsjahre zu entrüsten, schwindet meine Hoffnung auf meine eigene Zukunft in Deutschland zusehends. Ich denke mir: Wenn der Staat schon nicht in der Lage ist, mir Perspektiven zu bieten, dann sollen sie mich wenigstens nicht meines Lohnes berauben.
Ganz so sehen das die meisten meiner Generation aber scheinbar nicht, zumindest äußern sie es nicht. “Die Politik”, heißt es meist relativierend, tue ja schon was gegen die fehlenden Ingenieure. Und mit den Ökotechnologien seien wir ja ganz vorne dabei. Außerdem sei es ja wichtig, dass die “Schere zwischen Arm und Reich” nicht weiter aufgehe und die “Abgehängten” wieder integriert werden müssten. Das einzig abgehängte ist hier die Rationalität solcher Urteile.
Und dies ist nur die wirtschaftliche Seite. Der Realitätsverlust zeigt sich auch in der Unfähigkeit der Selbstidentifikation als Gemeinschaft westlicher und säkularer Werte, die man privat zwar vertritt, sich in der Öffentlichkeit aber nicht zu verteidigen traut. Vor lauter missverstandener Re-Nationalisierungsangst werden so real bedrohende Phänomene wie ein zunehmend de-säkularisierter Islam und Migrantenkriminalität relativiert und durch schlechte Einwanderungspolitik nur noch befördert (wir haben aufgrund unseres Weltrettungs-Komplexes mit 5% überdurchschnittlich Qualifizierten die schlechtest ausgebildeten Einwanderer der Welt*).
Unsere Eltern waren zu beschäftigt mit der Vergangenheitsbewältigung unserer Großeltern, um die Zukunft nachhaltig zu gestalten. Mit Nachhaltigkeit meine ich das, was es heißen sollte: Langfristige Lösungen zum Erhalt des Lebensstandards, nicht Biobauernhöfe für Besserverdienende. Anstatt diese Tradition fortzuführen, sollten wir uns nun um eine realitätsnahe und aktive Gestaltung unserer Zukunft kümmern. So ein Kümmern könnte damit anfangen, sich vom ökosozialistischen Mainstream zu lösen und sich eigene Gedanken um echte Zukunftsthemen zu machen. Zu begreifen, wie so ein wirtschaftliches System eigentlich funktioniert – dass die Leistungsträger den Rest hochziehen, und daher von höchster Wichtigkeit sind. Woher Steuergelder eigentlich kommen. Warum es ein Problem ist, dass der Anteil schlecht gebildeter Jugendlicher immer mehr zunimmt. Warum wir uns den Sozialstaat in der jetzigen Form nicht mehr leisten können und uns ein Beispiel an dem amerikanischen Umbau des Sozialstaats unter Clinton nehmen könnten, anstatt sich – peinlicher Weise, angesichts des bevorstehenden Szenarios – als menschlich erhaben darzustellen. Wie wir etwas gegen die demographische Entwicklung tun können – nicht nur, indem wir mehr Kinder kriegen und uns für KiTas einsetzen, sondern auch, indem wir die Einwanderung gebildeter Fachkräfte à la Kanada, USA oder Australien fördern.
Mit Sicherheit sind wir keine Generation ohne Eigenschaften – nur die Gabe des freien Denkens und Tuns scheint uns nicht in die Wiege gelegt worden sein. Vielleicht aus Abgrenzung zur Selbstgerechtigkeit unserer ewig protestierenden Eltern, man weiß es nicht. Fest steht: Wenn wir uns zu Wort melden, dann wegen der falschen Sachen.
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Weiterführend seien die Publikationen des bekannten Demographieforschers (u.a.) Gunnar Heinsohn zu empfehlen, zum Beispiel hier.
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