Fitzcarraldos indischer Traum
Seit zwei Monaten bemühe ich mich nun darum, ein 100 Jahre altes Haus in Kerala inmitten von 4000 Quadratmetern ungezügelter Natur in ein Ferienresort zu verwandeln und fühle mich in meinen immer kreativer werdenden Bestrebungen zunehmend wie Klaus Kinski in Fitzcarraldo. Dieser hat es sich in den Kopf gesetzt, im peruanischen Dschungel eine Oper zu errichten, komme was wolle.
Und mit demselben Elan denke ich schon lange nicht mehr bloß über die Auswahl von Kacheln, Farben und Sanitäranlagen nach, sondern sehe vor meinem geistigen Auge meinen Eintritt durch das schmiedeeiserne und mit Efeu bewachsene Tor mit der Aufschrift „Riverrun“, durch das ich festlich schreite, um anschließend durch mein prachtvolles Werk aus neokolonialistischen Gebäuden, Heckenlabyrinthen, Steinbrückchen, Springbrunnen, Bootshäusern, und Yoga-Pavillons lustzuwandeln. Mein geistiger Spaziergang endet am Fluss an der „Water Lounge“, in der unsere Gäste aus Nah und Fern an französischen Bistrotischen importierte Cocktails und Mango-Smoothies trinken können.
- Die Zufahrt zum Haus, in der Ferne stelle man sich ein romantisch-beranktes Tor vor
- Südansicht
- Grüne Wandelwiesen oder die Leinwand meiner Phantasien
- Unser Haustier
- Wo sich jetzt Kuh und Kranich begegnen, soll in Zukunft eine Lounge entstehen
- Der romantische, grundstückseigene Bach lädt zum Verweilen ein!
- Irgendwo in Südindien…
Meine indischen Freunde haben gewisse Bedenken, ob meine Lounge von den Einheimischen angenommen werden wird. Sie hätten kein Geld, bevorzugten das Trinken zu Hause und Frauen würden erst recht nicht in ein „solches Etablissement“ kommen, das gehöre sich nicht. Mit Hinweis auf indische Städte und touristische Orte schmettere ich diese Bedenken jedoch schnell ab. Außerdem, so führe ich weiter aus, könne man ja women only Abende mit Sektcocktails veranstalten und dabei Sex and the City im Open Air Kino gucken, in das der Yogapavillon abends verwandelt wird. Ich lasse die typische indische Hausfrau vor meinem inneren Auge vorbeipassieren und sehe ein, dass es hierbei gewisse Adaptionsschwierigkeiten geben könnte. Aber hey, was noch nicht ist, muss eben noch werden, and I will make it happen! Ich hätte einen wunderbaren Kolonialherren abgegeben, denke ich mir.
Dass Hoffnung besteht, sieht man beispielsweise schon an der offenen Dusche, die ich durch den Abriss eines Dachteils erschaffen habe. Die wurde von meinen Handwerkern anfangs für eine derart absonderliche Idee gehalten, dass lange mit der Umsetzung gezögert würde. Inzwischen sagen alle „good idea“, wenn ich poetisch vom Duschen im Monsunregen bei gleichzeitiger Mangoernte vom überhängenden Ast erzähle.
Der Umbau des traditionellen Beckens im Innenhof in einen gestuften Pool für die spätere Besiedlung durch Putzerfische für die Fußmaniküre hat dagegen noch keiner so richtig verstanden.
Bei meiner Umwandlung der „heiligen Reiskammer“ in einen kleinen Kinoraum mit Fernseher muss ich auch noch einige Überzeugungsarbeit leisten. Die Kritiker deuten an, dass es in diesem Raum „zum äußersten“ kommen könnte und damit ein Fluch über das Haus kommen würde! All meine Versuche, die Assoziation eines Sex-Kinos in einen Kinderraum mit Disney-Filmen zu verwandeln, sind bisher gescheitert. Diese Inder und ihre schmutzigen Gedanken!
- Hier wird auf meine Anweisung der Strommast verlegt
- Die jährlichen Opferzahlen bei dieser Arbeit sind mir nicht bekannt
- Verbuddeln der septic tanks
- Kacheln des Putzerfische-Pools
- Umbau zum offenen Bad
- Anlage einer Terasse zum morgendlichen Brunchen unter einem All Spice Tree
Fast hätte ich die hauseigene Produktion europäischer Lebensmittel vergessen, die ich ebenfalls derzeit in Erwägung ziehe. Seit Tagen halte ich mich auf Websites wie www.kaese-selber.de und www.selber-wurst-machen.de auf und recherchiere die Möglichkeiten, Rucola und Champignons im tropischen Klima anzubauen. In der hinteren Ecke des Grundstücks, neben der Hütte für die Angestellten, könnte man eine kleine Produktionsstätte aufbauen, in der zum Beispiel auch deutsche Backkunst praktiziert wird. Über die Kundschaft in Zusammenhang mit der abgelegenen Location habe ich mir noch keine Gedanken gemacht, aber das wird schon werden! Wenn erst einmal die kilometerlange, kurvige Zugangsstraße durch die Tropen asphaltiert ist und die nahegelegene Brücke so umgebaut ist, dass Boote auch durchfahren können, dann ist die Laufkundschaft so gut wie garantiert und die Leute werden von weitem beim Geruch meiner deutschen Hausmannskost angefahren kommen.
Bis dahin halte ich durch und glaube fest an mein Ziel – Fitzcarraldo und ich würden uns gut verstehen!
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