Im Banne der Kokosnuss
Seit etwa einer Woche habe ich mich ganz der Kokosnuss verschrieben. Zuvor hatte ich mich nicht einmal ernsthaft mit ihr auseinander gesetzt. Kein Wunder, war ich doch ein von der Natur ganz entzweites Stadtkind, das sich der Kokosnuss nur durch abartige Derivate wie konservierter Kokosmilch oder getrockneten Kokosraspeln nähern konnte. So war mir bis vor kurzem das Ausmaß ihres Wirkens nicht bewusst gewesen, vielmehr war meine Beziehung zur Kokosnuss durch zu geringen Verzehr sowie die durch industrielle Verarbeitung stark reduzierte natürliche Potenz der verzehrten Kokosprodukte nicht leidenschaftlich.
Seit ich mich immer öfter in Kerala, einem Hauptanbaugebiet für Kokosnüsse, aufhalte und die Kokosnuss regelmäßig in ihrer Reinform erleben durfte, begann ich jedoch langsam zu ahnen, dass mehr an der Kokosnuss dran sei als gemeinhin angenommen. Denn immer, wenn ich sie zu mir nahm, schien sie meine Stimmung aufzuheitern. Doch meine Logik stand mir wie so oft im Wege und verbot mir, den kausalen Zusammenhang deutlich zu erkennen. Und immer reiste ich ab, bevor ich der Sache näher nachgehen konnte.
Dies änderte sich mit meinem letzten längeren Aufenthalt von 3 Wochen, den ich bei einer indischen Familie verbrachte. Mehr unbewusst sagte ich da zu meiner Gastgeberin bereits beim ersten Abendessen, dass ich Kokosnussgerichte besonders gern habe. Die gute Frau bereitete daraufhin jeden Tag ein Gericht mit frisch gewonnener Kokosmilch und gebratenen Kokosstücken zu. Meine Produktivität und Lebensenergie stieg unter dieser Diät sprunghaft an, und trotz einer sehr großzügigen Portionsbemessung nahm ich wundersamer Weise kein Gramm zu. Doch immer noch verweigerte ich mich, eins und eins zusammenzuzählen und führte diese Phänomene naiv auf den aufregenden Auslandsaufenthalt und die viele Bewegung zurück.
Seit zwei Wochen bin ich nun wieder bei derselben Familie und habe nun – nach all den Indizien und sehr viel Blindheit – endlich den großen turning point gehabt! Denn nachdem ich in der ersten Woche wieder denselben Energieschub und diese geistige Klarheit erfuhr, wie sie nur die Kokosnuss hervorrufen kann, kam es am letzten Montag zu der schicksalhaften Begegnung mit dem Cocoivorismus des Sonnenordens um August Engelhardt, Manchmal passieren einem so Dinge, da denkt man, das sollte jetzt so sein, da kommt dann alles zusammen! Und so war es mit dem Artikel, der mir beim Surfen unter die Augen kam.
Ich hatte es mir also nicht alles eingebildet, und jemand hatte es schon 100 Jahre vor mir entdeckt – endlich wurde mir klar, dass nur die Kokosnuss für mein Gefühl der Energie und lichten Erweckung verantwortlich sein konnte, welches mich so belebt und berauscht hatte. Vor allem aber begriff ich endlich, warum in Kerala die Welt vor Glück stillzustehen scheint, warum hier jeder lächelt, und auch warum das Kokosnuss-Land seit Jahrhunderten God’s Own Country genannt wird. Wie konnte mir nur dieser offensichtliche Hinweis auf die göttliche Rolle der Kokosnuss im Namen des Landes nicht auffallen, so denke ich jetzt. Aber später ist man immer schlauer. Der Blitz des Verstehens, der mich durchfuhr, war wunderschön und hatte sicherlich auch mit dem Kokos-Curry zu tun, das ich gerade zu mir genommen hatte.
Nach diesem, ich glaube man wird in Retrospektive sagen historischen Moment fasste ich die Entscheidung, auf Engelhardts Wegen zu schreiten und meine Ernährung komplett auf Kokosnuss umzustellen. Der studierte Naturwissenschaftler Engelhardt hatte schon damals erkannt, dass der Mensch zum Leben in tropischen Ländern bestimmt sei und seine göttliche Lebensenergie aus dem Licht schöpfe. Da die Kokosnuss die höchsthängende Frucht sei, sei sie das bestgeeignetste Lebensmittel für den Menschen. Das ist natürlich jetzt sehr verkürzt und Herr Engelhardt, Gott hab ihn selig, könnte dies sicherlich viel besser erklären. Zunächst war ich auch etwas skeptisch und hütete mich davor, erneut naive und vorschnelle Schlüsse zu ziehen. Da sich seine Erfahrungen jedoch eins zu eins mit meinen deckten und Herr Engelhardt zudem vom Fach war und also wusste, wovon er sprach, konnte ich diese schnell beiseite legen. Sein Leben auf Neu-Guinea fasziniert mich, wo er nackt und die Früchte des Lichts essend im Einklang mit der Natur lebte.
Hier in Indien wird die Umsetzung meines Bestrebens nicht schwer werden, denn Kerala wimmelt vor Kokosnüssen. Ich habe auch bereits die Bepflanzung unseres hier erworbenen Grundstücks mit weiteren Kokospalmen in Auftrag gegeben – denn wenn man sich nur von denen ernährt, wird man ja so einige Bäume brauchen. Eventuell lasse ich auch hohe Hecken so pflanzen, sodass ich ungestört wie Gott mich schuf umherwandeln und die Kokosnüsse wie ein nacktes Äffchen von den Palmen pflücken kann.
Problematisch ist in diesem Kontext natürlich meine Reise nach Deutschland zu sehen, aber zum Glück habe ich 30 Kilo Freigepäck und werde diese weitestgehend für Kokosnüsse verwenden. Meine Freunde bitte ich, von Essenseinladungen oder Eingriffsversuchen in meinen neuen Lebensweg abzusehen, denn August’s Schicksal möge mir eine Lehre sein: Diesem hatte man nämlich in einem Krankenhaus gegen seinen Willen anderes Essen verabreicht, angeblich “zu seinem Besten”. Er versuchte sogar, die Flucht zu ergreifen, doch man hielt ihn fest. So vergiftet verstarb er als Opfer der Gesellschaft am Tage darauf tragisch, mit nur 44 Jahren.
Leave a Reply