Berlins zynische Partykultur


Ich stand am Samstag, ausnahmsweise einmal recht nüchtern, am Rande der Tanzfläche vom Ritter Butzke, einem angesagten Club in Berlin, und beobachtete mit dem durch die Klarheit meines Verstandes möglichen Abstand das Treiben der Tanzenden, den DJ und das Setting des Clubs.

Und mir fiel auf: Das hat hier eigentlich überhaupt nichts mit Party zu tun, das ist eine auf einer Drogenwelle getragene, düstere Zombieveranstaltung von gleichgeschalteten Individualisten, die nicht nur alle dasselbe anziehen (weiße Sneaker, schwarze Kleidung), sondern auch trinken (Gin Tonic) und sich alle beim Tanzen nicht etwa gen Freunde, sondern gen DJ ausrichten, als gebe es dort etwas zu sehen.

Es wird kaum gelacht, es ist eine ernsthafte Veranstaltung. Die Musik ist düster und monoton. Auf dem Boden sind überall Scherben. Das stört aber keinen, denn alle sind auf Drogen. Ob ich Speed dabei habe? Nein, sorry. Willst Du Ectasy? Nein, danke. Ich hab auch Koks. Nee, ist OK. Dieser Club funktioniert nur wegen und mit Drogen, denke ich mir. Und, weil die Leute irgendwie vergessen haben was Party machen eigentlich bedeutet. Oder es halt nicht cool ist, Spaß zu haben. Also – let me spell it out for you – im Sinne von ausgelassen tanzen, lachen und so weiter. Aber vielleicht bin ich auch altmodisch. Ich wünsche mir eine Privatparty mit Charts-Musik.

Nicht alle Berliner Clubs sind so, aber das Ritter Butzke ist typisch, weil er zu den Top Clubs gehört und damit für Berlin steht – er ist halt angesagt. Eine ähnliche – ich nenne sie mal zynische – Atmosphäre herrscht in anderen top locations wie dem Berghain und dem Kater Blau, und auch in der Kingsize Bar, als es sie noch gab. Ähnlich wird es in anderen bekannten Clubs wie dem Watergate sein, in denen ich noch nicht war. Mir stellt sich einfach die Frage: Warum ist das Kaputte, Düstere, Leitkultur in Berlins Clubszene? Und steht das irgendwie in Zusammenhang mit der Unfähigkeit, einen positiven Haushalt zu führen und Flughäfen zu bauen?

Mit dem Berghain hatte ich vor einiger Zeit auch mal so eine Erfahrung: Da steht dieses abgefuckte Haus was mal ein Kaufhaus war, umgeben von unbebautem Industriegebiet, und davor eine 200 Meter lange Schlange. Sauber aufgestellt, in Zweiergruppen, stumm, in schwarz gekleidet. Ich hab schon bei diesem Anblick angefangen zu lachen und Scherze gemacht, die auch meine Schlangennachbarn zum Schmunzeln anregen sollten. Aber nein, nichts, ist ja auch eine ernsthafte Angelegenheit und verdammt cool da so wie ein Depp zu stehen. Ich dachte mir: Wenn sich jetzt da vorne an den Anfang der Schlange ein Führer mit Megafon stellt – die Schlange würde alles für ihn tun. Wir haben aus der Lemminghaftigkeit der Masse denn auch Profit gezogen und 150 Meter übersprungen. Keiner sagte ein Wort.

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Es gibt übrigens Partyformate, die als Ventil für die Sehnsucht nach uncoolen Parties erfunden wurden. Natürlich wieder nicht moderat und angenehm, man will ja nicht wirklich uncool sein, sondern durch ein anderes Extrem: Bad taste. Beispiel: Die monatliche Engtanzparty im Ritter Butzke, eine Singleparty, bei der mit Absicht boybands gespielt werden und die Beleuchtung rosa ist. Oder das White Trash, was auf amerikanische Eckkneipe macht, aber eben nicht wirklich. Coolness durch vorgespielte Uncoolness sozusagen.

Diese Orientierung an einem unsichtbaren, urteilenden Coolness Kommittee zeigt sich meines Erachtens auch an den gefühlt hundert unterschiedlichen Stromrichtungen elektronischer Musik, die es angeblich gibt. Es ist für mich teilweise unmöglich, anhand der Beschreibungen der Musikstile auf Resident Adivisor – dem angesagten Onlineguide für die Techno Party Szene – zu erahnen, welche Art von elektronischer Musik bei einer Party gespielt werden wird. Das Wort Kategorie macht teilweise gar keinen Sinn mehr, weil gefühlt jeder DJ ein eigenes Genre bedient. Aber das nur am Rande.

Also kurzum – bei diesen Parties geht es um etwas anderes als Spaß. Ich denke es geht eher darum, sich selbst zu verlieren – in der hypnotisierenden Musik, im Kollektiv, in den Drogen. Das ist OK und manchmal habe ich da auch Lust drauf. Bedenklich finde ich nur, dass diese Kultur nicht special interest, sondern Leitkultur des Berliner Partymachens ist. Es ist so passiv, und so nihilistisch. Warum ist das cool? Was sagt diese Bewertung über die Moral unserer Generation aus? Und ja, ich weiß wie sich das anhört – versucht einfach mal euren Coolness Filter abzulegen. Aber wie gesagt – vielleicht bin ich auch einfach nur altmodisch mit meinem Wunsch nach Spaß.

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