Endlich Prinzessin
Mein High Tech Smartphone weckt mich mit lieblicher Melodie. Ich wende meinen Kopf noch einmal auf dem Perfect Night Sleep Contour Kissen hin und her und raffe mich auf, meine Satin-Schlafbrille abzunehmen und zum Panoramafenster zu treten. Ich reiße die doppelschichtigen Verdunkelungsvorhänge auf und lasse den Ausblick auf die Hochhauslandschaft einige Momente auf mich wirken, bevor ich an der Bar der amerikanischen Küche meinen Morgenkaffee trinke.
Um den Müßiggang zu vermeiden, beginne ich meinen Tag gerne mit ein wenig Sport: Ich packe meine Key Card und meinen Kimono ein und fahre hoch in den 35. Stock in das hauseigene Fitnesscenter. Auf dem Laufband kann ich mich nicht entscheiden, ob ich den Blick durch die bodentiefe Fensterfront oder auf den in das Gerät integrierten Fernseher richten soll. Bevor ich in den ebenerdigen Outdoor-Swimmingpool steige, möchte ich eigentlich ein paar Minuten in die Dampfsauna. Diese ist aber noch nicht vorgewärmt – was für ein Service – und ich bin zu ungeduldig, darauf zu warten. Ich gehe also direkt schwimmen und unterbreche meine Bahnen mit kurzen Pausen am Rand des Pools mit Blick auf die Stadt.
Meine Dusche nehme ich wieder in der eigenen Wohnung, ich entscheide mich für das Badezimmer mit der Großraumkabine und zwei Duschköpfen. Wieder muss ich mir das Haar nur mit Pantene shampoonieren – meine Redken Bestellung aus Amerika ist noch nicht angekommen. Naja, ich kann ja nach der Dusche dafür meine Morrocan Oil Hydrating Styling Cream benutzen, die ich bei meinem letzten New York Besuch gekauft habe. Während der Dusche erreichen mich ein paar kalte Tropfen aus dem anderen Duschkopf – ich ärgere mich, das muss ich dringend melden. Das Ärgernis geht nach der Dusche weiter, denn sowohl meine All About Eyes Creme von Clinique als auch meine Hydra Quench Lotion von Clarins sind leer. Mit Handtuch um den Kopf muss ich zum anderen Spiegelschrank greifen, um sie aus meinem Fundus an Kosmetikkäufen zu ersetzen.
Beim Frühstücken surfe ich ein bisschen im Net und entdecke einen Anti Aging Laser Treatment Deal bei Groupon – ich bookmarke ihn, vielleicht wird mir ja in den nächsten Wochen mal langweilig und ich probiere es aus. Mir fällt auf, dass ich leichte Verspannungen im Nacken habe, und mein rechtes Knie fühlt sich seit dem Joggen auch ein bisschen komisch an. Wozu habe ich meine Lieblingsmasseuse um die Ecke – ich rufe an und vereinbare einen Termin für den Nachmittag.
Nachdem ich mich an der beleuchteten Ankleide zurecht gemacht habe, kann ich noch ein paar Einkäufe im 24 Stunden Importsupermarkt um die Ecke machen. Es gibt so viele attraktive Sachen zu kaufen, dass mein Einkaufswagen voller und voller wird. Tragen kommt nicht in Frage, daher lasse ich mich bis in meine Wohnung von einem delivery boy begleiten, der den Einkaufswagen neben mir herschiebt. Ich bedanke mich und gebe ihm mit großmütigem Lächeln ein Trinkgeld in die Hand.
Puh, jetzt muss ich noch aufräumen. Ich erledige es unwillig und schnell und schreibe dann eine Email an unseren Immobilienagenten, um mir Angebote für eine Putzfrau kommen zu lassen. Meine Zeit ist hierfür einfach zu wertvoll.
Nach der Massage lasse ich – wo ich schon mal da bin – auch eine Pediküre machen, denn es ist schon eine kleine rote Ecke ausgebrochen. Währenddessen lasse ich mir Kaffee reichen.
Wieder zu Hause entscheide ich, dass ich nach all den Erledigungen nun auch einmal etwas für mich tun kann und setze mich vor den Computer, um einen Text zu formulieren. Zwischendurch klopft die Dame von der Rezeption und bringt mir den zweiten Schlüssel, den wir bereits gestern bestellt hatten und der erst heute angekommen ist. Es ist wirklich schwer, noch gutes Personal zu finden, denke ich, und erinnere mich daran, wie oft ich der Putzfrau bei der Grundreinigung zum Einzug erklären musste, wie sie ihre Arbeit zu machen hat.
Da kommt auch schon Rama nach Hause. Wahrscheinlich bestellen wir etwas zu Essen, ich kam heute einfach nicht zum Kochen.
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Copyright Text: Anna Klissouras
Copyright Titel: Franciska Obermeyer
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