Saigon Babble


Meine Existenz als Dauertourist zwingt mich ja bekanntlich dazu, alle zwei Monate das Land zu verlassen, und so verschlug es mich gestern diesmal nach Saigon, Vietnam. Meine Auswahl des temporären Exils erfolgte dabei nach rein ökonomischen Faktoren: Unter den Dutzenden Flugzielen der Billig-Airline AirAsia hatte ich vor einigen Wochen schlichtweg jenes mit dem günstigsten Ticketpreis herausgesucht.

Entsprechend der Wahllosigkeit der Auswahl war meine inhaltliche Vorbereitung nicht existent. Und so war mein Kenntnisstand des Landes zum Zeitpunkt der Ankunft auf die grobe Vorstellung eines gewaltvollen Krieges, die Kenntnis der wichtigsten vietnamesischen Gerichte “Pho Bo” und “Sommerrolle” sowie die Erinnerung des oft gesprochenen Satzes “ich geh mal zum Vietnamesen an die Ecke” begrenzt. Außerdem spukten Bilder von französischen Kolonialgebäuden, Rucksacktouristen, dem UNESCO-Weltkulturerbe mit diesen Felsen und alten Frauen mit kegelförmigen Hüten und diesem fernöstlichen Traggerät aus Stange mit zwei schwer gepackten Körben an jeder Seite in meinem Kopf herum.

Ein Tag nach der Ankunft habe ich schon einmal ein paar Häkchen neben die Stereotype gesetzt:

– Kriegsmuseum besucht (unheimliche Faszination des Todes, der Maschinerie und der menschlichen Natur, nicht so sehr der historischen Informationen, da die Ausstellung nicht auf Geschichte, sondern Eindruck und Glaube an die kommunistische Sache ausgelegt ist)
– Pho Bo gegessen, (angeblich in nem ganz tollen Laden in dem auch schon Bill Clinton gegessen haben soll – schwer vorstellbar bei den Ameisen – war nicht besser als in Berlin)
– Sommerrolle selbst gerollt, (wow, eeeccht gut!)
– Kolonialgebäude besichtigt, (wie so oft die schönsten Gebäude in der Stadt)
– Rucksacktouristen beobachtet (siehe meine Bemerkungen zu Bangkok, hier sehen sie aber nicht ganz so unpassend aus)
– und dutzende Frauen mit Hüten und/oder Traggerät gesichtet (überraschend – ich hatte gedacht, dass diese vor allem Stilelement auf kitschigen Zeichnungen oder romantisierenden Reiseberichten seien)

Eine weitere Lernerfahrung des heutigen Tages: Die Lächerlichkeit der nationalen Währung. Sie heißt “Dong” und hat erst im Millionenbereich einen Wert. Am Flughafen habe ich, naiv kichernd, 2 Millionen Dong Erstausstattung abgehoben. Ein Euro sind ca. 28.000 Dong. Ob vietnamesische Kinder besser in Mathe sind als andere?

Zum Stadtbild. Mein erster Gedanke bei der Fahrt vom Flughafen zur Hostel war “hm, könnte auch Bangkok sein” – aber schon beim Zuendedenken beschlich mich der Verdacht, dass die Beobachtung nicht richtig ist, bis ich nach einigen Minuten endlich darauf kam: Saigon ist kleinteiliger als Bangkok, und wirkt daher bunter und lebendiger. Statt großer Hochhäuser in Kombination mit unscheinbaren kleineren Häusern ist in Saigon höhentechnisch das Mittelmaß angesagt: Die Häuser sind, ähnlich wie in Deutschland, in den meisten Fällen lediglich ein paar Stockwerke hoch.

Dieser Unterschied zwischen Bangkok (vertikal) und Saigon (horizontal) ist besonders gut von oben zu sehen: Die flache Kleinteiligkeit zeigte sich schon beim Anflug, und wurde bei der teuer bezahlten Aussicht von einem der wenigen Hochhäuser bestätigt (weswegen ich den Financial Tower auch für überschätzt halte, es gibt außer Häuschen umgeben von Grün nichts Beeindruckendes zu sehen, das wäre in Bangkok anders).

Anders als in anderen Städten mit ähnlichen Traufhöhen ist das typische Haus hier jedoch mit ein paar Metern extrem schmal – man fühl sich an Holland, die Altstadt in Köln oder einige “dazwischen gebaute” Häuser in Frankreich oder Italien erinnert. Vermutlich ein Einfluss der französischen Kolonialisten, gepaart mit einem niedrigeren Entwicklungsstand und weniger Businesscharakter als Bangkok. Es gibt kaum Hochhäuser, Malls habe ich noch nicht gesehen, und auch keine Skytrains oder sonstige moderne Strukturen, die im Stadtbild auffallen würden. Dafür dringt mehr Leben auf die Straßen, die hier nicht nur Transitort wie in Bangkok sind, sondern mehr Aufenthaltsort. Cafés, Restaurants und Geschäfte sind an der Straße und nicht verborgen hinter Mallwänden. Diese Mischung aus kleinteiligen, fast europäischen Häusern und Straßenleben macht den Charme Saigons aus. Es macht Spaß, diese Stadt zu erlaufen.

Morgen werde ich entweder einen 12-stündigen (!) Ausflug zum Mekong mit Bus, Boot und Fahrrad (!) machen, oder einen halben Tag lang die langen Tunnelsysteme vietnamesischer Kämpfer besichtigen. Lest also morgen weiter um zu erfahren: Wie hat sie sich entschieden? Hat sie ihre Mitreisenden ertragen? Fand sie aus dem Dschungel wieder zurück? Oder verirrte sie sich in den Katakomben? Saigon Babble continues…

3 Comments on Saigon Babble

  1. Mach die Mekong-Fahrradtour – die ist großartig 🙂 Unterhaltsam auf eine ganz andere Art fanden Tobi und ich auch das Puppentheater.
    Viel Spaß….und guten Appetit! Haben gerade ne Bun bo verspeist, vom Vietnamesen nebenan…

  2. Oh Gott….ich habe im Kopf an Hanoi gedacht…….nehme also den Tipp zurück, außer es gibt dort auch eines 🙂

  3. Anna Klissouras // 16/01/2013 at 12:04 // Reply

    🙂 danke für die tipps! ich habe mich wie immer für das essen entschieden und werde eine “tasting tour” machen – das mit den puppen vielleicht am abend oder morgen, mal sehen!

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