Japan

Kyoto

Ich habe nun dank völliger energetischer Erschöpfung durch eine Kombination aus Arbeit und aktivem Sozialleben (*räusper*) wirklich schon erschreckend lange nichts mehr geschrieben, und werde nun zum Glück durch meine Reise nach Japan aus dieser bedauerlichen Routine gezwungen. Trotz 2,5 Jahren Aufenthalt in Bangkok hatte ich es aus dem einen oder anderen Grund nie nach Japan geschafft, obwohl dieses Land schon seit Längerem ganz oben auf meiner bucket list der Wunschländer steht. Nun fügte es sich so, dass die Arbeit mich nach Japan brachte, und ich zögerte natürlich nicht, noch eine Woche Urlaub anzuschließen, die mich nach Tokyo, Kyoto und Osaka führte. Mehr Vorwort sei dem Leser nicht zuzumuten.

Japan hält die vage Erwartung, die man an es hat was Ordnung, Diszipliniertheit und Verspieltheit angeht. Den im wahrsten Sinn des Wortes bleibensten Eindruck hat das Essen auf mich gemacht, gefolgt von der Ästhetik der Tempel und der unglaublichen konsumistischen Fülle. Ein paar Highlights…

Essen: Das Essen ist noch viel besser als ich zu hoffen gewagt hatte. Es gibt eine riesen Bandbreite an japanischen Gerichten, und alle schmecken mir so gut dass ich es geschafft habe in dem Land der gesunden Küche zuzunehmen. Restaurants spezialisieren sich typischer Weise auf eine Küche, z.B. Sukiyaki und Shabu-Shabu (beide basieren auf dem ganz dünn geschnittenen Fleisch), Grillgerichte (meistens Fokus auf Rind, habe aber auch schon Fokus auf nur Rindszungen gesehen), Sushi, Tempura uvm. Dann gibt es diverse französisch inspirierte Bäckereien und Konditoreien und Süßwarengeschäfte, die oft auf eine Form von Reismehlgebäck basieren, gerne mit Bohnenpaste oder Matcha. Es gibt regionale Unterschiede – z.B. ist Kyoto bekannt für Variationen an Tofu und Gemüse sowie Matcha, und Osaka ist bekannt für einen Straßensnack mit Oktopus in der Mitte und Teig drum herum.

Ordnung und Reinlichkeit: So einen Grad an Sauberkeit habe ich sonst nur in kleinen Schweizer Dörfern gesehen. Es ist wirklich unglaublich sauber, und zwar überall. Es liegt nicht nur grundsätzlich kein Müll rum (also null), sondern man sieht auch keinen Schmutz. Sogar die öffentlichen Busse sind von außen (!) blitzeblank. Ungeplegte Menschen sind eine sehr sehr seltene Erscheinung. So wundert es denn auch nicht, dass die Japaner recht strenge Regeln zur Aufrechterhaltung dieser Sauberkeit aufgestellt haben. In allen Geschäften darf man Umkleidekabinen zum Beispiel nicht mit Schuhen betreten. Und in einem B&B in Kyoto begegnete ich jeden Meter irgendwelchen laminierten Schildern, die mich auf Verhaltensregeln hinwiesen – ich solle einen bestimmten Lappen nutzen, um die Becken nach Benutzung zu wischen; ich solle mich nur innerhalb der Duschkabine abtrocknen; ich solle in meinem Zimmer nur Wasser oder Tee konsumieren; ich solle nach jedem Verlassen des Raumes die Ventilation anstellen; ich solle meinen Koffer nur auf der dafür vorgesehenen Matte abstellen usw. Außerdem ist Japan bekannt für die vollautomatischen Hightech-Toiletten, die nicht nur diverse Duschen, sondern sogar einen privacy button mit Flußrauschgeräusch haben. Eine Kollegin erzählt mir, dass die – wie neu aussehenden – Busse des öffentlichen Nahverkehrs wohl aus den 60ern stammten und einfach so unglaublich gut erhalten würden dass sie immer noch voll funktionsfähig seien. Kurzum: Die Japaner sind also so, wie die Welt immer denkt, dass Deutsche sind (was aber zu meinen Lebzeiten nie der Fall war).

Etikette: Dazu passend sind die Japaner auch auf eine formelle Art und Weise äußerst freundlich. Man wird stets mit einer Verbeugung begrüßt oder verabschiedet (je tiefer desto respektvoller, wie man sich schon denken kann). Diese Bewegung wird aber auch dann gemacht, wenn jemand den Weg vor einem kreuzt. In Geschäften und Hotels wird man stets mit denselben Formeln begrüßt und verabschiedet, welche recht lang ausfallen können und auch deren Aussprache offenbar nicht davon abhängt, ob sie verstanden werden oder nicht. Beim Essen hört die Etikette in unserem Sinne auf – das Schlürfen der Suppen ist eher chinesisch.

Ästhetik: Zu einem gewissen Grad ist dies sicher Geschmacksache, man kann den Japanern aber meines Erachtens auch objektiv eine kompositorische Begabung zusprechen, die sich in der Gestaltung von Tempelanlagen, in den Blockdrucken und Zeichnungen und sogar in der schlichten, eleganten Mode widerspiegelt. Besonders die architektonische und gärtnerische Gestaltung der diversen Tempel, die ich in Kyoto gesehen habe, hat mich schwer beeindruckt. Und das will einiges heißen, da ich dank diverser Reisen in Asien wirklich schon einige Tempel gesehen habe und ein zunehmendes Desinteresse daran zeige (das gilt übrigens auch für Kirchen – ich bin einfach anfällig für langweilige Wiederholungen). Die japanischen Tempel sind einerseits rein architektonisch ansprechend aufgrund ihres im Vergleich zu anderen buddhisitischen Anlagen vergleichsweise schlichten Stils. Hervorstechen tun sie aber aufgrund ihrer gekonnten Einbettung in strukturierte Natur. Mit letzterer meine ich gestutzte Bäume und Hecken, Zen-Gärten mit einer gekonnten Anordnung von Steinen, Schotter, Rasen, Moos und Wasser, die Komposition der einzelnen Elemente zueinander in den japanischen Parkanlagen. Ich lasse hier lieber die Fotos für sich sprechen. Diese dreidimensionale Raumgestaltung der Anlagen spricht mich sehr an, und viel mehr als die rein auf Beeindruckung angelegte Bombastik anderer Anlagen in Thailand oder Indien, wo es oft mehr um die Menge an Gold, das Volumen der Tempel oder die Menge der Götter geht. Aus einem ähnlichen Grund hat mich zum Beispiel auch Angkor Wat beeindruckt – die Kombination aus überwucherndem Dschungel und vorzeitlichen Tempelruinen hat einen echten Erlebnisraum geschaffen. Danach folgt für mich die Tempelstadt in Kathmandu, die durch die abwechslungsreiche Verdichtung einen solchen Raum schafft.

Japanische Crazyness: Mir fiel kein besserer Begriff ein, um die japanische Popkultur und Kinkyness zusammenzufassen. Als würde der japanische Drang nach Ordnung und Regeln ein Ventil benötigen, gibt es da noch dieses sehr verspielte Japan, und diese Mischung macht Japan sehr charmant – auch wenn es mich als etwas ähnlich geprägte Deutsche vielleicht noch mehr anspricht als andere Kulturen. Da sind die vielen Spielhallen für Jugendliche; das Cosplay, bei dem sich Menschen zu einer Art Flashmob versammeln und sich als Cartoongestalten verkleiden; Katzencafés und Eulencafés, in denen man bei einem Kaffee besagte Tiere streicheln kann. Mein persönliches Highlight: es gibt “maid cafés” über die Grenze zwischen Verspieltheit und Kinkyness hinaus, in denen man von auf minderjährig getrimmten Zimmermädchen hofiert, mit Kinderspielen bespaßt und besungen wird – diese Etablissements werden gerne von Männern mittleren Alters besucht, und im Souvenirshop kann man anschließend ein Foto eines Mädchens kaufen. Das ist nur das Spektrum an Kuriositäten, welches ich in meinen 2 Wochen mitbekommen habe.

Konsum: Ich wollte mich gerade beeindruckt darüber äußern, dass sich die Innenstädte von Tokyo und Osaka nur aus Läden oder Restaurants bestehen, als mir auffiel, dass dies in der Regel die Definition eines Zentrums in jeder Stadt ist. Ich denke, dass es die Menge und die Buntheit des Angebots und auch der optischen Gestaltung ist, die so ins Auge stechen. In Osaka zum Beispiel besteht der ganze Bereich zwischen der U-Bahn Station Shinsaibashi und dem Bahnhof Namba mit derselben Breite nur aus teilweise überdachten Einkaufsstraßen, die teilweise mit Restaurants durchmischt sind. Das sind immerhin 2.25 Quadratmeter reiner Konsum. Von diesen Zentren gibt es mehrere in Osaka, dasselbe gilt für Tokyo. Für meine Kölner Bekannten zur Veranschaulichung: drei Mal die Schildergasse lang und das ganze im Quadrat, und zwar halb so eng wie die Schildergasse. Und das ist nur eine dieser Bereiche, die es in Osaka gibt.
Wer mich kennt weiß, dass ich diesem Angebot natürlich nicht widerstehen konnte. Gerade die schlichte Eleganz der Mode sowie das Überangebot an unbekannten aber hoffnungsvollen Kosmetika (man schaue sich mal die japanischen Frauen an) haben es mir angetan. Das Konzept der weiblichen devoten Entertainerin ist ja übrigens alteingesessen und im Format der Geisha bekannt (ich habe mehrere echte in einem traditionellen Bezirk in Kyoto gesehen!).

Ich hoffe, dass dies nicht mein letzter Urlaub gewesen ist, ich habe gerade erst an der Oberfläche gekratzt. Das nächste Mal komme ich aber gerne mal, wenn es ein bisschen wärmer ist. Es war so kalt wie in Berlin, aber ohne die entsprechende Garderobe, da ich beim Packen immer “Asien” dachte und die wohlbekannte Gradzahl irgendwie nicht zu mir durchkam.

Hier noch ein paar andere Impressionen als Post Scriptum – Sayonara!

 

 

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