Dramaturgien auf Milos
Milos verbinde ich vor allem mit der Dramaturgie, die sich durch den Wechsel der verschiedenen Szenerien auf meinen Radtouren ergeben hat. Die Insel hat gerade die richtige Größe, um sie komplett mit dem Rad zu erkunden – alle paar Kilometer kann sie mit einem anderen abwechslungsreichen Highlight aufwarten. Ich füge gleich hinzu: Mit dem E-Rad – anders lassen sich die Höhenmeter des hügeligen Terrains mit seinen Serpentinenstraßen nicht bewältigen. Ich nahm mir jeden Tag eine andere Himmelsrichtung vor, in die ich von Adamantas aus vordrang.
Der Nordosten: Sarakiniko, Papafragas und Pollonia
Zunächst in den Nordosten, beginnend mit der oft mit einer Mondlandschaft verglichenen, steinernen Küstenlandschaft Sarakiniko, dem Resultat ausgespuckter und von Wasser und Wind elegant geglätteter weißer Lava. Die Formen der Felsen erinnern ein wenig an geschlagenes Eiweiß.
Ein kleiner Strand inmitten der Steinlandschaft führte zur ebensolchen Bezeichnung des gesamten Areals und verlockt die Mehrzahl der Touristen dazu, sich eigentlich unbequem auf den Steinen der kleinen Bucht niederzulassen (so auch ich). Eigentlich ist Sarakiniko aber eher ein Naturkunstwerk zum Begehen und Bestaunen, und auch zum Schwimmen oder von den Steinen springen, als zum Sonnenbaden. Ich dachte mir: Würde Sarakiniko nicht überall als Strand bezeichnet werden, würden die Menschen vermutlich nicht wie die Lemminge brav ihr Lager dort errichten.
Ich erkundete das Areal durch Beklettern mehrerer Hügel, zog zwei Bahnen durch das Becken, bemühte mich 5 Minuten um das Anpassen meiner Wirbelsäule an den Stein, setzte mich dann noch eine Weile aufrecht hin und beobachtete diverse Paare in deren jeweiligem Lebenszyklus (verliebt – streitend – partnerschaftlich – fremdschauend – indifferent), um dann wieder aufzubrechen.
Auf dem Weg nach Pollonia am nordöstlichen Ende der Insel kommt man an Papafragas vorbei – einem kleinen Strand am Ende einer engen Bucht, die über einen Torbogen mit dem Meer verbunden ist. Man gelangt nur an den Strand, wenn man entweder aus dem offenen Meer durch den Bogen schwimmt bzw. mit einem Boot fährt, oder indem man sich 20 Meter Kletterpartie vom Weg an einem Felsen zutraut. Letzteres fand ich erst nach diversen Exkursen rund auf und um die Felsen herum heraus, nachdem ich ein Pärchen fragte, welches den Zugang zwar gefunden hatte, aber zu „busy“ war und weiter musste. Ich probierte den Zugang, gab nach 10 Metern Rutschen mit Abhang direkt neben mir aber auf und begnügte mich mit einem Foto. Auf jeden Fall konnte der Strand einen eigenen Charakter bieten und – hätte man nicht schon längst alles im Internet gesehen – überraschen.
Pollonia besticht ähnlich wie Adamantas durch den typischen Charme griechischer Küstenörtchen mit Tavernen an der Paralia, Booten und weißer Hausfarbe. In Pollonia traf ich das deutsche Paar mittleren Alters wieder, mit dem ich mir vom Flughafen aus ein Taxi nach Piräus geteilt hatte. „Huhuu“ rief mir die sichtbar amüsierte und angetrunkene Dame aus einem Restaurant zu, der Mann grinste dazu wie jemand der diese Stimmung wohl schon sehr gut kannte. Mein Fahrrad wurde kommentiert und ein paar Worte zu Aktivitäten ausgetauscht, bis ich weiterzog – dazusetzen wäre irgendwie komisch gewesen. Pollonia fällt ein wenig lieblicher und ruhiger als die Hafenstadt Adamantas aus und ist für das gute Essen bekannt, was ich anhand des einen Restaurants das ich ausprobiert habe bestätigen kann. In diesem Restaurant hatte ich denn auch eine Begegnung mit einem Exemplar der einzigen nicht paarweise anzutreffenden Männerart auf Milos: einem griechischen Kellner. Nummer in einem Moment geistiger Umnachtung vergeben, danach in eigentlich recht asozialem Tinder-Style ignoriert, aber trotzdem – zumindest mir – in netter Erinnerung geblieben.
Apropos tough bitch – ich kam mir auf meinem nicht immer als solches erkenntlichen E-Bike schon ziemlich cool vor. Natürlich zurecht – ich habe auf meinen stundenlangen Touren nur 3 weitere Radfahrer gesehen, und im Vergleich zu den Mopeds und Quadbikes war ich die einzige fahrende Frau. Das ganze wurde unterstrichen von meinem Lara Croft cropped Jeans und Top look mit Bauchtasche. So dann hoch und runter schwitzend auf den Bergen, ab und zu locker irgendwo anhaltend für einen kurzen swim oder ein Frappe. Mega.
Der Süden: Papikinou Beach, Achivadolimni Beach, Kipos und Kleftikos
Der zweite Tag führte mich in den Süden der Insel, der langen Bucht mit diversen Stränden entlang, die alle durch solide Qualität bestachen. Keine Naturwunder, dafür Sandstrand, Schattenplätze unter Bäumen und wenige Menschen. Nachdem ich nun einige Strände gesehen hab, würde es mich im Alltag wenn in Adamantas lebend wohl am öftesten in diese Bucht hinziehen. Der Strand direkt im Süden von Adamantas – Papikinou, war zwar etwas nervig zum Schwimmen wegen des sehr wenig abfallenden Meerbodens, wegen dem man sehr lange nur geht. Dafür bekommt man hier aber von der Taverne O! Xamas Drinks an den Liegestuhl serviert. Und dann – sticky und sweaty – in nur wenigen Minuten zurück ins Hotel. Hier war ich mehrmals und liebte es (auch jetzt mit Laptop).
Weiter südlich kommt Achivadolimni Beach, ein klassisch schöner Strand, etwas mehr Szenerie, dafür weiter weg von der Stadt. Auch so ein Alltagsstrand zu dem man schnell kommt, direkt an der Straße ohne schwierige Zuwege.
Wenn man die Bucht weiter Richtung Süden ins Landesinnere verlässt, werden die Straßen schon anspruchsvoller und ich musste denn auch etwas kämpfen, um die Ablegestelle des Boots von Kipos wieder zu verlassen. Aber ich greife vor – Kipos ist als Ort vermerkt, besteht aber eigentlich nur aus einer Taverne und einer Bootsablegestelle von Delfina Boats, die Bootstouren zu den über Land kaum zu erreichende Kleftikos Höhlen bzw. Steinformationen anbieten. Kleftikos erinnerte mich ein wenig an die berühmte Felsenlandschaft Phang Nga in Thailand – nur in weiß. Die insgesamt 3,5 Stunden auf dem Boot, Aufenthalt inklusive, lohnten sich und waren für mich als sowohl ungeduldigen als auch Komfort gewöhnten Menschen deutlich attraktiver als die 10 Stunden auf mit schlechten Sitzmöglichkeiten ausgestatteten Segelbooten rund um die Insel, die die Höhlen alternativ angefahren wären (auch hier wieder: meiner Meinung nach tun sich das die meisten Touristen an einfach weil man es so macht). Kristallklares Wasser, majestätische Felsen, Adventure feel beim Durchschwimmen der Höhlen – toll.
Zwischendurch kletterte ich an den Felsen aus dem Wasser hoch, ließ mich auf einem flachen Teil nieder und fühlte mich wie eine Nixe. Leider konnten die Selfies (dank wasserfester Handyhülle) diese Selbstwahrnehmung nicht bestätigen, und so besann ich mich wieder auf den sportlichen Aspekt der Kletterei.
Auf dem Rückweg, welcher an dem angeblich unbewohnten Südwesten der Insel vorbeiführte, dachte ich über die mehreren Villen nach, die sich an den Abhängen befanden, und entwickelte in Ermangelung anderer Beschäftigungen Verschwörungstheorien über reiche Stars, die eine Kooperation mit der Tourismusindustrie geschlossen haben um sich weitere Zuzieher vom Leib zu halten.
Später erfuhr ich dann von der Verkäuferin eines Schmuckladens, dass es vor vielen Jahren im Südwesten wohl einmal toxische Ausdünstungen des Vulkans gegeben habe (Milos ist eine Vulkaninsel), bei der es zu Toten gekommen sei. Seitdem hielte man sich von diesem Teil fern. Das machte den Teil der Insel um so spannender für mich und ich nahm mir vor, ihn am nächsten Tag zu erkunden.
Der verbotene Südwesten
Nachdem mir sogar von meinem Fahrradverleih untersagt worden war, den mit „no service“ ausgeblendeten Bereich der Landkarte zu beradeln (was ich natürlich ignorierte), hatte ich mich auf einiges vorbereitet und besonders viel Wasser, Essen und Sonnencreme mitgenommen und besonders auf die Batterielaufzeit meines Handys geachtet. In einem Anfall von Heldenmut packte ich sogar Pflaster ein (die würden mir im Zweifel nämlich das Leben retten).
Es führte tatsächlich nur eine Straße in den Westen, und diese gab ihre Asphaltierung schon nach wenigen Minuten auf. Rechts und links nur trockene Büsche, das Zirpen schien lauter zu werden, als hätte sich die Population der Zikaden in Abwesenheit von Menschen hier besonders prächtig entwickelt. Absperrungen und Schilder gab es nicht, die Meidung dieses Inselteils scheint sich exklusiv im Bewusstsein der Inselbewohner und auf den Landkarten von Fahrradverleihen widerzuspiegeln. Ab und zu führte ein Weg von der Hauptstraße ab, wahrscheinlich zu einer der Villen die ich gesehen hatte. Sonst keine Infrastruktur weit und breit. Ich setzte mir zum Ziel, die Kleftiko Höhlen vom Landesinneren zu erreichen, und fuhr also weiter, obwohl die Landschaft mich zu langweilen begann und mir keine Highlights wie etwa vom toxischen Vulkandampf mutierte Tiere, Kannabisplantagen oder sonstige Erklärungen für die übertriebene Vermeidung dieses doch recht großen Inselgebiets begegneten.
Nach einer Weile – ich hatte mich bereits in melancholische Reflektionen über das Alter und die Liebe verloren – fiel mir dann ein kleines Straßenschild an der Abzweigung einer kleinen Straße auf: „The road less travelled“. Ich schmunzelte, überrascht. Hätte von mir kommen können, dachte ich mir. Die Straße dahinter war asphaltiert und führte über einen Hügel, sodass ich das Ende nicht sehen konnte. Vorherzusehender Weise bog ich ein. Und landete, wie im Klischee, nach etwa einem Kilometer vor einem umzäunten hügeligen Areal, auf dessen höchstem Punkt sich eine weiße Villa in der Art befand, wie ich sie schon vom Boot aus gesehen hatte. Das Grundstück war groß und ich konnte keine Details des Hauses erkennen, das Ganze sah aber nach Geld aus – große Glasflächen, viele bewässerungsintensive Grünflächen, Terrassen, Sonnenschirme die auf einen Pool hindeuteten, und ich meinte sogar eine Landestelle für einen Helikopter zu erkennen. Das gusseiserne Tor passte zu diesem Eindruck, und auch die Kamera, welche ich erst nach einer Weile entdeckte. Am Tor stand: Mors certa, hora incerta. Mein Latein hatte ich nicht mehr parat, und ebenso wenig hatte mein Handy empfang, daher schlussfolgerte ich hieraus nur: Ein Bildungsbürger mit Hang zur Romantik, und wahrscheinlich kein griechischer, sonst wäre dort sicherlich altgriechisch gestanden. Die Situation war so absurd und zugleich stereotyp, dass ich ganz allein vor mich hinkicherte und es kaum fassen konnte. Zu gerne wäre ich hineingegangen und sicher hätte ich klingeln können, aber was genau hätte ich schon sagen sollen. Ich fuhr ein wenig am Zaun entlang, unschlüssig, fuhr wieder zurück zum Tor, schaute noch ein bisschen ziellos herum, und schwang mich dann wieder aufs Rad, um weiter zu fahren. Da hörte ich ein Surren aus Richtung der Kamera und sah, dass sie sich auf mich gerichtet hatte. Ich starrte zurück, entgeistert. Dann sprach die Kamera: “So, you seem to be a curious person”. Und ich, komplett fasziniert von meiner eigenen Überraschung: “Yes, and so do you”. “Indeed”. “Then why are you hiding away in a house with in a toxic environment with no neighbours and talking to rare occurences of people through a camera only?” “Gosh, you do have some aggression problems don’t you?” “I am just straight forward”. “So yes, I prefer my privacy, but the environment is certainly not toxic and I do in fact talk to people in real life”. “Why do you prefer your privacy?” “I have my reasons” “A very helpful answer” “There is your aggression again” Ich schaute daraufhin einfach nur intensiv in die Kamera. “Let’s say if I told you that would undermine the entire idea behind my need for privacy”. “So are you famous or something” “Something like that” “But apparently you don’t talk so much with people, else you would not be talking through a camera to some sweaty unknown tourist” “I enjoy the freedom of anonymity” “I see” “What do you see?” “I meant I understand” “What do you understand?” “You are annoying” Die Kamera produzierte ein schepperndes Lachen. “Anyway, this house gives me a lot of liberties. I can do what I want and nobody disturbs or watches me. In fact, I watch other people more than they watch me” “What do you mean?” “I communicate with people in here much more freely than outside” “Again, what does that mean?” “Praevalent inlicita” “I don’t speak Latin” “You can come in and find out if you like”. “I am comfortable right here, why don’t you just tell me” “Some things are better shown than told”. Ich hörte das Brummen des Türöffners. Rührte mich aber nicht, hadernd. “Little Miss Tomb Raider is scared”. “Even Miss Tomb Raider does not take stupid risks” Wieder das scheppernde Lachen. “See what power my anonymity has already given me”. “Good for you”. Ich machte wieder Anstalten, mich auf das Rad zu schwingen, was die Kamera zunächst stumm beobachtete, um dann im letzten Moment zu fragen “Are you on Facebook?” Dieses Mal brach das Lachen aus mir heraus. “Indeed I am” brachte ich noch grinsend heraus. “I suppose you have a latin name on Facebook” “Quidem” “That’s your name?” “Your Latin really sucks” “Probably I am just not as old as you” “You are funny” “I know” “And cocky” “Yup” “So you won’t come in but we can exchange Facebook details?” “You could just come out you know” “Too lazy” “Well then, we will continue virtually on Facebook” “So be it” “Carpe Diem” “Is that your Facebook name now?” Wieder ein Lachen. “Was that a yes or a no?” Keine Antwort. “Hello?” Die Kamera war still. ich bewegte mich etwas weg um zu testen, ob sie mir folgt, aber sie bewegte sich nicht mit. Wie auf Tinder, dachte ich mir, und fuhr davon. Kleftiko erreichte ich nie.
Der Nordwesten: Mandrakia, Firopotamos, Plathiena
Der Mini-Ort Mandrakia hat sich angefühlt wie eine charakterstarke Person und mich irgendwie berührt. Er besteht eigentlich nur aus einem kleinen Fischerhafen, einem Kirchlein, ein paar Sitzgelegenheiten, einer Taverne, ein paar wenigen Häuschen, und einem Strand mit Steilküste und temperamentvollen Wellen. Das Ensemble wirkt in seiner Kombination aber irgendwie bewegend. Vielleicht wegen der Dramaturgie, die aus der Mischung aus Wellen, Steilküste, pittoreskem Fischerhafen und Taverne mit Meerblick entsteht. Oder den Postkartenblick auf den Fischerhafen von der perfekt hierfür positionierten Bank. Oder der Intimität die entsteht, wenn man sich den steilen Weg hinab an den kleinen Strand begeben hat und dort in der engen Bucht ganz nah bei den Wellen sitzt. Jedenfalls gab es zwischen Mandrakia und mir vibrations und wenn ich wiederkomme besuche ich den Ort sicher wieder.
Firopotamos ist in der Nähe und hat eine in einzelnen Elementen ähnliche Beschaulichkeit. Vor allem der in eine runde, kleine Bucht gelegte Fischerhafen mit den garagenartigen, in den Fels eingelassenen Räumen mit farbigen Türen, ist verständlicher Weise ein beliebtes Touristenmotiv, und ebenso der süße kleine Strand in der benachbarten Mini-Bucht. Vom Rad aus, viele Meter oberhalb des Ortes von einer der Serpentinen aus, sah ich aber schon den Andrang am Strand und die Highlights auf einen Blick und sparte mir diesen Ort im Detail.
Nach einigem geographischen Auf- und Ab erreichte ich schließlich Plathiena. Eine Empfehlung meines Hotelbesitzers auf meine Frage hin, welches denn sein Lieblingsstrand sei. Plathiena war einer dieser Orte bei dem ich mir nach der Ankunft Gedanken um einen Notfall-Exit machte für den Fall, dass ich es mit meinem Fahrrad nicht wieder den Berg hoch schaffe. Zu diesem Zweck spielte ich diverse Szenarien durch, vom Pick-Up über eine Seilbefestigung an einem Auto, zum Boot bis hin zur Rückkehr mit Taxi und separater Abholung des Fahrrads. Meist landete ich aber beim Szenario Fahrradschieben, was meinem Aufenthalt eine leichte Anspannung verlieh. Zum Glück musste es nie soweit kommen, mein E-Bike in Kombination mit Durchhalteparolen beim Treten hat mich immer gerettet.
Also, Plathiena. Ein schöner Strand umringt von Steilküsten mit kristallklarem Wasser, der richtigen Meerbodenneigung und keinen Algen. Nur zu viele Leute für die Schirme und schattengebenden Bäume, insbesondere Italiener. Eigentlich haben mir die Italiener gar nichts getan, aber irgendwie gingen sie mir immer auf die Nerven. Wenn man gut mit dem Auto unterwegs ist, es also kein Problem ist, dass man etwas anfahren muss und dies auf recht steilen Wegen, dann ist Plathiena aber sicher ein guter Tipp, zumal es auch ein Cafe/Restaurant, ein WC und eine Dusche dort gibt. Für Individualtouristen wie mich ein bisschen zu organisiert und beliebt, aber ich würde wahrscheinlich wieder hinfahren.
Der Osten: Der Strand bei den alten Sulfurminen
Mein Highlight, dieser Strand war wirklich einzigartig und ich warte nur darauf, ihn als Szenerie in Tomb Raider, James Bond oder ähnlichem wiederzusehen. Man glaubt gar nicht, dass der Strand echt ist, so inszeniert wirkt er.
Es handelt sich um eine vor 30 Jahren aufgegebene Sulfurmine, die heute eine aus Steinhäusern, Eisenschienen, Brücken und allerlei Metallteilen bestehende Ruine ist. Und zufällig liegt diese nicht nur an einem perfekten Strand, sondern ist auch über eine lange, nur schwer befahrbare Straße ohne jegliche Infrastruktur (Wasser, Essen) zu erreichen, die dem Areal noch eine besondere Note verleiht. Ein paar Kilometer Radius um diese Mine herum war vom Fahrradverleih übrigens auch als nicht befahrbar gekennzeichnet gewesen. Wir wissen ja inzwischen, welchen Effekt dies auf mich hat. Jedenfalls fuhr ich die ganze Straße bis zum Strand runter und fand schon den Weg dahin, auf dem ich keiner Menschenseele begegnete, aufregend. Als sich dann von der Bergstraße aus der Anblick auf die Mine öffnete war ich begeistert. Ich lasse die Fotos hier für sich sprechen.
Ich hatte Glück, einen Schattenplatz unter einer Brücke zu finden und las dort A Short History of Mankind, was ich irgendwie passend fand, und reflektierte die Tatsache, dass die Fabrik innerhalb der 30 Jahre gefühlt ebenso verfallen war wie ein Theater aus der Römerzeit, die Tatsache, dass mit der Ruine so gar nichts gemacht wird, und auch die Entwicklung der Insel vom industriellen Minenstandort (nicht nur für Sulfur) hin zum Touristendomizil.
Ein Schweizer, der ein paar Meter weiter mit seiner Frau sitzt und mich kurz nachdem ich mein Bikinioberteil ausgezogen habe zufällig anspricht, erzählt mir, dass die jungen Griechen von Milos wohl lieber hinter der Bar als im Bergbau arbeiten. Wir kommen zu dritt noch eine Weile ins Gespräch und seine wunderschöne tschechische Frau, die aussieht als habe sie mal eine Miss-Wahl gewonnen, bietet mir Kuchen an. Ich erfahre, dass die beiden seit 20 Jahren verheiratet sind und nun das erste Mal länger ohne Kinder unterwegs sind. Und dass sie in einem kleinen österreichischen Dorf an der Schweizer Grenze wohnen, was den Schweizer Dialekt des Mannes („Günther“) erklärt. Die Frau heißt Lada wie das Auto und geht so natürlich mit Ihrer Schönheit um, als sei sie sich deren gar nicht bewusst.
Als ich mich wieder auf den Weg mache fällt mir auf, dass ich netto nur wenige Minuten mit der Betrachtung des Areals zugebracht habe. Da sieht man mal wieder, welche Rolle die Vorstellung im Kopf spielt – das Wissen und das Gefühl, inmitten der nur ganz kurz betrachteten Mine zu sitzen, reicht schon atmosphärisch. Eine Stunde Anfahrt für ein paar Minuten – eigentlich verrückt.
Plaka
Für den auf der Inselspitze gelegenen Ort Plaka habe ich mal mein Fahrrad beim Hotel gelassen, weil es nach Sonnenuntergang zurückgehen würde und mir das zu gefährlich war. Plaka ist ein altes Dorf mit einer kleinen Festung auf dem Berggipfel welches nicht nur für seine beschaulichen Gässchen, sondern auch seinen Sonnenuntergang bekannt ist.
Wegen des berühmtem Sonnenuntergangs sind die Zeiten zwischen 6 und 10 Uhr Abends die vollsten in Plaka, und viele Leute strömen, geleitet von diversen Touristenführern und Google Maps-Bewertungen, ins Cafe Utopia. Voller Aufregung sitze ich schon um halb 6, eine halbe Stunde bevor das Cafe öffnet, in einem benachbarten Cafe, um nicht den Einlass und damit einen guten Platz zu verpassen. Man solle früh kommen, hatte ich gelesen. Mit Argwohn beobachte ich eine große Gruppe amerikanische Senioren, die auf der Straße vor dem Cafe Utopia laut herumlungern. Wehe wenn die mir meinen Platz wegschnappen, denke ich mir, und begebe mich in einen gedanklichen Wettbewerb. Meinen Cappuccino Freddo trinke ich immer schneller und schließlich wird der Druck kurz vor 6 so unerträglich, dass ich den Kellner mit meiner Zahlungswilligkeit bedränge. Schnellen Schrittes eile ich an die Pforten von Cafe Utopia, bereit, meine überlegene Fitness gegen die amerikanischen Senioren einzusetzen. Aber finde geschlossene Türen ohne jegliche Schlange vor. Mir wird bewusst – die Amerikaner, das bin ich. Offenbar bin ich noch nicht in dem Teil meines Urlaubs angelangt, an dem ich wirklich losgelassen habe. Mit wenigen anderen Menschen stürme ich um kurz nach 6 das Cafe und sichere mir einen Platz in der ersten Reihe. Auch nachdem sich das Cafe komplett gefüllt hat und Leute stehen, kommt die Bedienung nicht darauf, mich von meinem 4-Personen-Tisch wegzusetzen. Das ist Griechenland. Ich biete einem dankbaren stehenden Paar selbst an, sich zu mir zu setzen (dafür mussten sie als Statisten auf meinem Foto herhalten).
Das Ende
Ich schloss meine 4 Tage auf Milos mit einem Freddo Cappuccino in meinem Lieblingscafe O! Xamas! Am Strand ab, besuchte noch einmal die Bäckerei und gönnte mir eine meiner Lieblingsgebäcke Bougatsa, gab schweren Herzens mein E-Bike ab und ließ mich noch mit einem etwas falschen lächeln mit einer Olivenölseife vom Eigentümer meiner Pension beschenken, bei der er en passant die Bewertungsmöglichkeit auf Tripadvisor erwähnte.
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